NEOLIBERALISMUS - DIKTATUR DER FREIEN MÄRKTE

Der neoliberale Staatsstreich


Neoliberale Schulen & Strömungen

 

Von Christian Gielow, Hamburg 05.01.2018, Lektorat Ann Porann und Sven Ja


3.1. NEOLIBERALISMUS ALLGEMEIN

Neoliberalismus ist keine homogene Lehre für sich. Der Begriff beschreibt die derzeit bestimmende Hauptströmung innerhalb der Ökonomie. Alle neoliberalen Schulen und ihre Strömungen sind trotz ihrer Unterschiedlichkeit in einer Annahme vereint: Sie wollen den Staat aus der Mitbestimmung wirtschaftlicher Prozesse soweit heraushalten wie möglich.

Die Radikaleren gehen so weit, dass Politik durch Wirtschaft gemacht wird bzw. in vielen Teilen des gesellschaftlichen Lebens Politik sogar ersetzt. Viele Neoliberale zeigen sich gar nicht als "marktradikal", sondern stellen sich als Ökonomen dar. Manche mögen die neoliberale Ideologie bereits so sehr verinnerlicht haben, dass sie selber überzeugt sind, Ökonomen zu sein. In der Konsequenz sind Sie aber Träger einer gefährlichen politischen Ideologie. Hier müssen wir differenzieren, wenn wir später kurz in die Bereiche Welt- und Menschenbild sowie neoliberale Rethorik eintauchen. (Der kommende Teil 4 befasst sich tiefer mit dem Thema Rhetorik und Manipulation)

Da der marktradikale Teil der in seiner Wirkung Beherrschende ist, werden wir uns an dieser Stelle nicht mit dem Diskurs zwischen den gemäßigten Sozialökonomen und den markradikalen Neoliberalen innerhalb der Ökonomie befassen, sondern uns immer auf die derzeit bedeutenderen Neoliberalen beziehen.

Bild by tombud/pixabay

3.2. STRÖMUNGEN UND SCHULEN

 
Anmerkung: Diese folgende Zusammenstellung versteht sich als stark verkürzter Überblick über die aktuellen Strömungen, Schulen oder andere für den Neoliberalismus wichtige Bezüge. Details finden sich in den jeweiligen Links der Quellenverweise unter Punkt 15.0. (Ist im Aufbau. Da diese sich täglich verändert wird sie bei Abschluss der Inhaltsseiten final angefügt. Die Links befinden sich auch in der Linksammlung)

3.2.1. Freiburger Schule der Nationalökonomie (Ordoliberalismus)

Diese Schule ist wohl die gemäßigte Strömung innerhalb des Neoliberalismus, wenn man das so bezeichnen möchte. Verkürzt gesprochen lehrt die Freiburger Schule das Ideal, dass sich Staat und Wirtschaft nicht in die Quere kommen und der Staat einen Rahmen vorgibt, in dem sich die Wirtschaft bewegen kann. Der Staat bietet also den Rahmen (lat. ordo - Ordnung, (Ritter-)Orden), lenkt aber nicht die wirtschaftlichen Prozesse oder greift in sie ein. 
Dieser Ansatz entstand aus den Erfahrungen der intensiven staatlichen Eingriffe zu Beginn des 20. Jahrhunderts und den schlechten Erfahrungen mit dem sogenannten laissez-faire-Liberalismus oder auch Manchester-Liberalismus. Der Ordoliberalismus ist die eher soziale Strömung, die laut Eigenbild den Ausgleich zwischen Wirtschaft und sozialen Belangen herzusstellen versucht.

Die geistigen Wurzeln von Adam Smith liegen der Freiburger Schule der Nationalökonomie zugrunde. Walter Eucken, Franz Böhm, Leonhard Miksch und Hans Großmann-Doerth gehörten ihr im 20. Jahrhundert an, um ein paar prominente Vertreter dieser Schule zu nennen. Die Freiburger Schule gilt philosophisch als Wiege der sozialen Marktwirtschaft.

3.2.2. Manchester-Liberalismus, "laissez-faire-Liberalismus"

Diese Strömung ist aus keiner Schule explizit hervorgegangen und es gab nie eine solche, die im akademischen Sinne als Schule bezeichnet werden könnte. Sie entstand aus dem bloßen Handeln heraus, in den Bemühungen des Begründers Richard Cobden, jeglicher staatlicher Einflussnahme zu entgehen. Das Ergebnis war eine fast schon anarchische Wirtschaftsordnung, in der der Staat sich nicht mehr einmischte und die Wirtschaft in allen Belangen über das Wohl und Wehe der Menschen, damals vor allem der Arbeiter, bestimmte.

Das ging so weit, dass man sogar auf Freihandel verzichtete, sobald auch nur die geringste staatliche Einmischung sichtbar wurde. Der Protagonist Benjamin Kidd vertrat die Ansicht, dass jedes Individuum einer sozialen Schieflage durch freiwilliges Engagement, Fleiß und Selbsthilfe entkommen könne und strebte dahin, diesbezüglich jeglichen staatlichen Einfluss zu unterbinden - man könnte sagen, er plädierte dafür, die Menschen staatlicherseits sich selbst zu überlassen.

Ferdinand Lassalle, ein deutscher Arbeiterführer, prägte den Schmähbegriff Manchester-Liberalismus 1863 in seiner Schrift Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klasse.

3.2.3. Chicagoer Schule (Ökonomie)

Der Begriff der Chicagoer Schule ist uneinheitlich und aus einer Projektgruppe an der Universität Chicago entstanden. Sie teilt sich auf in den engeren Kreis von Ökonomen, die direkt an dieser Uni gelehrt haben, und einen erweiterten Kreis

Der Letztere bezieht sich im weiteren Sinne auf Personen, die sich durch deren Lehren und Denkweise sowie deren Anwendung vereinen und damit eine nach außen einheitliche Lehre abbilden, zusammen mit dem engeren Kreis, welcher aus Lehrenden und Studenten direkt an der Chicagoer Schule bestand.

Trotz der vielen unterschiedlichen Strömungen an der Chicagoer Schule gab es zwei zentrale Thesen, wie die neoklassische Theorie zu Angebot und Nachfrage, dem Bild des rational handelnden Menschen in Bezug auf wirtschaftliches Handeln oder Kauf, sowie die sog. Verteilungstheorie.

Aus dieser Schule stammmen von allen neoliberalen Schulen die meisten Vertreter und Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises. Diesen Preis verleiht man sich innerhalb des neoliberalen Zirkels gegenseitig.
Alfred Nobel übrigens sprach der Ökonomie vehement jegliche Wissenschaftlichkeit ab, weshalb er sich weigerte einen Nobelpreis für Ökonomie auszuloben. Dies entspricht der üblichen Strategie der Umdeutungen, Aneignung und Euphemisierung von positiv besetzen Begriffen und Inhalten, der sich die neoliberalen Ideologen bedienen.

Unter den Nominierten finden sich "Chicago Boys" wie
Milton Friedman, Theodore W. Schultz, George Stigler, Ronald Coase, Gary Becker, Merton Miller, Robert Fogel, Robert E. Lucas und James Heckman. Personen und spätere politische Protagonisten wie Hernán Büchi, José Pinera und Joaquin Lavin haben hier studiert.

Die Rolle der letzten drei im Chile unter Pinochets Diktatur
 ist menschlich keine positive, zeigt jedoch, wie weit Neoliberale zu gehen bereit sind, um ihrer Ideologie Geltung zu verschaffen. Hierzu existiert ein Ausspruch Hayeks, der das auf den Punkt zum Ausdruck bringt:

3.2.3.a Zitat (siehe Quellennachweis)
 "Ich persönlich würde einen liberalen Diktator gegenüber einer demokratischen Regierung, der es an Liberalismus mangelt, bevorzugen." (F.A.v.Hayek)   

F.A.v. HayekInfo Bildrechte: 
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https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_August_von_Hayek#/media/File:Friedrich_August_von_Hayek_1981.jpg

- Die "Chicagoer" gehen als Lehrsatz davon aus, dass jedes wirtschaftliche Verhalten mittels der neoklassischen Preistheorie erklärbar wird.

- Diese Schule trennt strikt zwischen dem realen Sektor, Produktion & Absatzmarkt und dem monetären Sektor. Sie gehen davon aus, dass der monetäre Bereich den realen (langfristig) nicht berührt. 

- Der zweite Lehrsatz der "Chigaoer" ist, dass nur freie Märkte das effizienteste Mittel sind, um Rohstoffe und Güter zu verteilen und die "beste" Einkommensverteilung zu erreichen.

Abschliessend möchte ich feststellen, dass ich in der Chicagoer Schule ein breit angelegtes Projekt vorfand, welches den theoretischen und rationalen Unterbau der Ökonomie gelegt haben könnte. Es diente dazu, der Ökonomie den Status der exakten Wissenschaften und die Eroberung der Deutungshoheit in fast allen Bereichen zu ermöglichen.

3.2.4. Österreichische Schule, Wiener Schule

Auch psychologische Schule genannt, sammeln sich in der Wiener Schule Theoretiker, welche von der Volkswirtschaft abweichende Theorien vertreten. Da diese Schule eine längere Geschichte hat, betrachten wir bezüglich der Thesen und Lehren nur den relevant gewordenen Raum ab 1947, der sogenannten vierten Generation unter Friedrich von Hayek. Sie brach seinerzeit unter Hayeks Einfluss mit den ursprünglich vertretenen Ansichten von John Maynard Keynes und dem Monetarismus aus der Chicagoer Schule.

Die Wiener sind, nebst der Chicagoer Schule, eine der zentralen Erschaffer der neoliberalen Denkweise und Auffassung. Während die Chigaoer Schule für die geistige Matrix und für die Akademisierung neoliberaler Ansätze maßgeblich war, so war die Wiener Schule die treibende Kraft in dem Ansinnen, die nicht wissenschaftliche, unscharfe Ökonomie zu einer exakten Wissenschaft zu erklären. Die Methodik von Hayeks aber erteilte dem akademischen Modell eine Absage mit der Begründung, dass seine ökonomischen Theorien nicht empirisch untersucht werden könnten, da die akademischen Werkzeuge der Komplexität (=Überlegenheit) seiner Theorien nicht gerecht würden."

Er stellte die Behauptung auf, dass aufgrund der "Theoriegebundenheit der Daten" diese Herangehensweise der klassischen Wissenschaften, empirisch Wirkungen zu überprüfen, nur auf simple Modelle anwendbar sei. Bei der Komplexität der Arbeiten von Hayeks könnten sie keine erfolgreiche Anwendung finden, so Hayeks Rückschluss. 
Damit diskreditierte er alle anderen Wissenschaften als “dumm“ und inkompetent, die Ökonomie einschätzen zu können ob ihrer Wissenschaftlichkeit, ein weiteres Beispiel neoliberaler Dialektik und Rhethorik. Er widerspricht damit einem der fundamentalen Prinzipien, welche Wissenschaft von Glauben, Religion und Ideologie trennt.
Selbst Vertreter des akademischen, kritischen Rationalismus würden Hayek hier entschieden widersprechen.
Ansonsten ist die Österreichische Schule in Bezug auf Lehren und Ansichten nahezu deckungsgleich mit den Chicagoern.

3.2.4.a Zitat (siehe Quellennachweis)

"Die Österreichische Schule ist der Ansicht, dass Theorien infolge der „Theoriegebundenheit der Daten“ nicht eindeutig durch Geschichte oder Empirie falsifizierbar seien.[6] In der Praxis ging der Erkenntnisskeptizismus der neueren österreichischen Schule weit über den kritischen Rationalismus hinaus. Friedrich von Hayek hat nie versucht seine Theorien empirisch zu überprüfen. Er rechtfertigte dies damit, dass nur bei simplen Theorien, nicht aber bei komplexen Phaenomenen - wie Hayeks Arbeiten - ein empirischer Test möglich sei. Eine solche Position wäre selbst aus Sicht eines Vertreters des kritischen Rationalismus unhaltbar. Dies wiegt umso schwerer, als Hayek praktische Probleme lösen wollte. Hier ist es offensichtlich unlogisch bei einem per se-Urteil stehen zu bleiben ohne die konkrete Wirkung zu testen.[7] Ludwig von Mises Weltbild war geprägt von Praxeologie, einem radikalen Apriorismus und einer totalen Opposition gegenüber Empirie, Ökonometrie und steriler Mathematik."[8]"

3.2.5. London School of Economic Affairs

Die LSE ist KEINE ausdrücklich neoliberale Schule, hat aber für den Neoliberalismus ihre Bedeutung darin, dass sie vielen neoliberalen Intellektuellen Dozentenstellen bot, worüber diese ihre Professur erlangen konnten. Insbesondere durch die Arbeit an ihren kritischen Schriften über die Betrachtungen Adam Smiths' unter Edwin Cannan fanden viele zu einer Rückbesinnung auf wirtschaftsliberale, in der Folge neoliberale Ansichten. Insofern kommt der LSE eine zentrale Rolle bei der Kumulation neoliberaler Denker und somit ihrer Netzwerke zu. Sämtliche Schüler Cannans wurden später Mitglieder der Mont Pèlerin Society.

Zudem wurde Friedrich August von Hayek, einer der späteren Gründer der Mont Pèlerin Gesellschaft, im Jahre 1931 an die LSE berufen, wo er bis 1950 lehrte. 

Anmerkung (CJ): Das Colloque Walter Lippmann (fr. für Kolloquium, Gespräch) fand vom 26. bis 30. August 1938 auf Einladung des französischen Philosophen Louis Rougier in Paris statt. Daran nahmen ebenfalls viele Gründungsmitglieder der MPS teil. Dort wurde der Begriff Neoliberalismus geprägt. Daraus ergeben sich Querverbindungen in Sachen "Council of foreign Relations" (Denkfabrik), Woodrow Wilson (US-Präsident) und Paul Warburg (Federal Reserve Bank). Dies sollte vielleicht auch noch Beachtung finden. VIelleicht ergibt sich daraus auch eine Quelle in Sachen Finanzierung der MPS. Lippmann war übrigens auch MPS Mitglied.

3.2.6. Versteckte Schulen
Es mehren sich die Hinweise, dass es mindestens eine wichtige Schule an der Universität Saarbrücken gab oder sogar noch gibt. Die davon ausgehenden Hinweise zeigen auf weitere aktive, zentrale Einzelpersonen und Netzwerkstränge, die direkt mit der Mont Pélerin Society verbunden sind, sowie mindestens auf zwei weiter "Schulen", deren Einfluss nicht zu unterschätzen. Dies legen die Positionen und der Einfluss der bisher ermittelten Personen innerhalb der neoliberalen Strukturen in Deutschland nahe. Eine Recherche dazu läuft. das Ergebnis dazu wird hier veröffentlicht werden.
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